U-Bahn Berlin Geschichte – Fall der Mauer und Wiedervereinigung der Netze

https://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Berliner_U-Bahn#Fall_der_Mauer_und_Wiedervereinigung_der_Netze

Am 9. November 1989 verlas das SED-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski vor laufenden Kameras nach einer entsprechenden Frage und eher nebensächlich, dass „sofort und unverzüglich Privatreisen ins Ausland ohne Vorliegen von Voraussetzungen wie Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse beantragt werden“ könnten. Die Genehmigungen würden „kurzfristig erteilt“. Ausreisen könnten „über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD erfolgen“.

Massen von DDR-Bürgern eilten zu den Grenzübergängen. Als erstes wurde um etwa 22:30 Uhr der Grenzübergang Bornholmer Straße geöffnet. Auch andere Übergänge wurden nach und nach geöffnet. Es kam zu überschwänglichen Freudenszenen. Die BVG und die BVB ließen die Züge rund um die Uhr fahren. Auch Mitarbeiter, die frei hatten, halfen bei der Bewältigung der Massen mit. Teilweise mussten die Bahnsteige gesperrt werden, Züge fuhren ohne Halt durch, beispielsweise von Leopoldplatz zum Zoologischen Garten. Noch am gleichen Tag beschlossen die beiden Chefs von BVG und BVB, nach einem vorher in der Öffentlichkeit diskutierten IGEB-Vorschlag, den noch verschlossenen U-Bahnhof Jannowitzbrücke zu öffnen. Mitarbeiter beider Verkehrsgesellschaften reinigten gemeinsam kurzfristig die Bahnsteige, sodass die Station bereits am 11. November dem Fahrgastverkehr zur Verfügung stand. Da die Station zwei Zugänge hatte, konnten hier die immer noch als notwendig erachteten Grenzkontrollen vorgenommen werden. Seit dem 22. Dezember hielten nun auch wieder Züge im U-Bahnhof Rosenthaler Platz. Am 12. April wurden die Tore der Station Bernauer Straße geöffnet, bis zum 1. Juli 1990 war sie nur von West-Berlin aus zugänglich.

Vielen DDR-Bürgern waren die Verkehrslinien der BVG unbekannt, da sie auf ihren Stadtplänen nicht eingezeichnet waren und die westlichen Bezirke durch weiße Flächen dargestellt wurden.

Ab dem 1. Januar 1990 gab es die erste grenzüberschreitende Tarifgemeinschaft, die von den Betrieben BVG, BVB, Deutsche Reichsbahn und VKP Potsdam (VE Verkehrskombinat Potsdam) gebildet wurde. Zunächst bedeutete dies, dass Fahrscheine und Zeitkarten der BVG auch in Ost-Berlin und dem Umland galten. Für Bürger der DDR entfiel die Freifahrt auf Verkehrsmitteln der BVG. Dafür wurden neue Fahrscheine als Zwei-Stunden-Ticket bzw. Tageskarte im Ermäßigungs- und Normaltarif eingeführt. Diese Regelung galt bis zum 1. August 1991. Dann trat ein neuer Tarif mit gegenüber West-Berlin niedrigeren Fahrpreisen in Ost-Berlin und Brandenburg in Kraft.

Am 1. Juli 1990 trat eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik in Kraft. In diesem Zusammenhang wurden alle übrigen, noch verschlossenen Stationen wiedereröffnet. Außerdem wurden die Ost-Linien A und E ins (West-)Berliner Nummernschema integriert. Die Linie E bekam nun die unbenutzte[A 2] Linienbezeichnung „U5“. Die Linie A, die wieder an das West-Berliner U-Bahn-Netz angeschlossen werden sollte, erhielt die Bezeichnung „U2“. Das führte zu der dreijährigen Situation, dass die Linie „U2” auf zwei getrennten Teilabschnitten verkehrte.

Vier Monate später, am 3. Oktober 1990, wurden alle Bahnhofsnamen geändert, die nach kommunistischen Politgrößen benannt waren und nunmehr in der Bundesrepublik als unerwünscht galten:

Dimitroffstraße → Eberswalder Straße

Otto-Grotewohl-Straße (bis 1986 Thälmannplatz) → Mohrenstraße

Marchlewskistraße → Weberwiese

Albert-Norden-Straße → Kaulsdorf-Nord

Heinz-Hoffmann-Straße → Neue Grottkauer Straße

Paul-Verner-Straße → Louis-Lewin-Straße

Gleichzeitig wurden drei weitere Bahnhöfe umbenannt:

Frankfurter Tor → Rathaus Friedrichshain

Stadion der Weltjugend → Schwartzkopffstraße

Nordbahnhof → Zinnowitzer Straße (heute: Naturkundemuseum)

Beim U-Bahnhof Frankfurter Tor entwickelte sich dies jedoch zu einer politischen Posse. Innerhalb weniger Jahre wechselte die Bezeichnung mehrfach: Frankfurter Tor → Rathaus Friedrichshain → Petersburger Straße → Frankfurter Tor.

Im August 1991 wurden die Tarife „A“ und „B“ eingeführt. Der „A“-Tarif galt in West-Berlin, der „B“-Tarif im Ostteil der Stadt und im Umland. Fahrgäste, die nachweislich ihren Wohnsitz vor dem 18. Oktober 1989 (Rücktritt des DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker) im Ostteil hatten, durften im Tarifgebiet A mit Fahrausweisen des B-Tarif fahren. Alle anderen Fahrgäste durften den „B“-Tarif nur dort selbst nutzen. Der Einheitstarif der BVB und der Zonentarif der S-Bahn, die beide 1944 als Kriegstarife eingeführt wurden, waren damit abgeschafft.

Nachdem die ersten Schritte nach der Einheit vollbracht waren, war es an der Zeit über Reaktivierung von geschlossenen Strecken nachzudenken. Dies waren zwei: Die Verbindung vom Wittenbergplatz über Gleisdreieck und Potsdamer Platz zur Mohrenstraße. Die anderen waren der Wiederaufbau der Oberbaumbrücke und die Wiedereröffnung des Bahnhofs Warschauer Straße. Außerdem mussten die Bahnsteige der U6 auf dem ehemaligen Transitabschnitt verlängert werden, da aus Spargründen diese nur mit einer Bahnsteiglänge von 80 Metern gebaut wurden. Nun gab es aber Kapazitätsprobleme und so musste dieses Hindernis beseitigt werden. Im ehemaligen West-Berlin war dies schon in den 1950er Jahren geschehen.

Bei der Reaktivierung der U2 zwischen Mohrenstraße und Wittenbergplatz mussten einige Hindernisse überwunden und Probleme gelöst werden. Die Strecke zwischen Wittenbergplatz und Gleisdreieck wurde bis 1972 betrieben, danach wurde diese Linie verkürzt, weil sie als überflüssiger Parallelverkehr zur U1 angesehen wurde. Seitdem tat sich auf dem Streckenabschnitt so einiges. Im ungenutzten BahnhofBülowstraße quartierte sich ein „Türkischer Basar“, im Hochbahnhof Nollendorfplatz der Flohmarkt „Nolle“ ein. Zwischen beiden Bahnhöfen wurde auf der ehemaligen Hochbahntrasse eine Museumsstraßenbahn betrieben. All dies musste beseitigt werden, außerdem war eine Grundsanierung für beide Bahnhöfe überfällig, genauso wie für den seit 1961 stillgelegten Bahnhof „Potsdamer Platz“. Doch es bestand noch ein weiteres Problem: Vom Gleisdreieck aus war 1983/1984 eine Magnetschwebebahn (in Berlin „M-Bahn“ genannt) erbaut worden. Diese verlief aber teilweise über das Gelände der ehemaligen U-Bahn. Deshalb beschloss der Berliner Senat, die M-Bahn sowie ihre Bahnhofsgebäude abzureißen, um die alte U-Bahn-Trasse wiederaufzubauen. Dies geschah ab dem 1. August 1991.

Im Osten dagegen mussten noch die zahlreichen Sicherungs- und Grenzanlagen entfernt werden. Schließlich konnten nach zahlreichen Sanierungen, Um- und Rückbauten die beiden Strecken am 13. November 1993 wieder zusammengefügt werden. Gleichzeitig mit der Wiedereröffnung der U2 wurde eine Umsortierung im Berliner Kleinprofilnetz vorgenommen:

U1, bisher Ruhleben – Schlesisches Tor, nun Krumme Lanke – Schlesisches Tor

U2, bisher Krumme Lanke – Wittenbergplatz (West) und Mohrenstraße – Vinetastraße (Ost), nun Vinetastraße – Ruhleben.

U3, bisher Uhlandstraße – Wittenbergplatz, nun als U15 Uhlandstraße – Kottbusser Tor

neue Linie U12 Ruhleben – Schlesisches Tor

Das zweite Reaktivierungsprojekt betraf die Strecke vom Bahnhof Schlesisches Tor über die Oberbaumbrücke zum ehemaligen Bahnhof Warschauer Brücke, heute Warschauer Straße. Die Strecke, 1902 eröffnet, wurde bis zum August 1961 betrieben. Danach war die Strecke der heutigen U1 bis zum Schlesischen Tor gekürzt worden, denn der Bahnhof Warschauer Brücke gehörte damals zu Ost-Berlin. Über Jahre hin verfiel die Station, auch wenn sie teilweise von Betrieben der DDR genutzt wurde. Auch eine Aufnahme in die Liste „Nationale Kulturerben der DDR“ half nichts. 1992 begannen die ersten Bauarbeiten für die Strecke. Es waren zahlreiche Sanierungsarbeiten zu verrichten, auch Neubauten waren nötig, da einige Gebäude des Bahnhofs zu DDR-Zeiten abgerissen wurden. Als erstes wurde die Oberbaumbrücke saniert, die sich in einem desolaten Zustand befand. Der spanische Architekt Santiago Calatrava gewann die Ausschreibung und entwarf die Pläne zur Sanierung der Oberbaumbrücke. Neben dieser war auch noch der Bahnhof selber mit seinen drei Bahnsteigen, das alte Stellwerk und die Wagenhalle an der Rudolfstraße instand zu setzen.

Schließlich konnten alle Bauarbeiten abgeschlossen werden, und so fuhr am 14. Oktober 1995 der erste Zug wieder zum heutigen Bahnhof „Warschauer Straße“, der diesen neuen Namen bekam, um die Umsteigemöglichkeit zwischen U-Bahn und S-Bahn zu verdeutlichen. Bis heute ist es geplant, dass beide Schnellbahnhöfe näher aneinanderrücken. Dies ist aber aufgrund der angespannten Finanzlage erst ab 2010 in Verbindung mit der Sanierung der S-Bahnhöfe Warschauer Straße und Ostkreuz angedacht. Mit der Wiedereröffnung der Strecke über die Oberbaumbrücke wurden auch die damaligen zwei Hochbahnlinien, die U1 und U15, bis zur Warschauer Straße verlängert. Heute führt nur noch die U1 dorthin.

Als die heutige U6 in den Jahren 1912 bis 1923 gebaut wurde, herrschte einerseits der Erste Weltkrieg und andererseits die darauf folgende Hyperinflation. Deshalb musste die Stadt Berlin, als Bauherrin der neuen Nord-Süd-U-Bahn, sehr viel sparen. Während die vorher gebauten Kleinprofilbahnhöfe schmuckvoll ausgestattet waren, bekamen die Bahnhöfe der U6 nur weißen Putz als Verkleidung. Einziges Unterscheidungsmerkmal waren die Kennfarben der Stützen und Stationsschilder, glichen sich die Bahnhöfe doch sehr stark. Doch am meisten gespart wurde an der Bahnsteiglänge: Bei Neubauten sind heute Bahnsteige von 110 bis 120 Meter üblich. Damals wurden nur 80 Meter lange Bahnsteige gebraucht und die Stadt Berlin rechnete damit, dass dies auch ausreichen würde. Schon in den 1970er Jahren gab es erste Kapazitätsprobleme, weil auf diesen Strecken nur 4-Wagen-Züge eingesetzt werden konnten. In den 1960er und 1970er Jahren wurden die ersten West-Berliner U-Bahnhöfe umgebaut, damit dort längere Züge hätten halten können. Da aber auf den drei Grenzbahnhöfen Friedrichstraße, Kochstraße und Reinickendorfer Straße ein Umbau nicht möglich war (an den anderen Bahnhöfen hielten ja keine Züge) beziehungsweise man sehr viel Geld an die DDR hätte überweisen müssen, blieb es bei dem Betrieb mit 4-Wagen-Zügen. Die BVG ließ die Züge deshalb bis zur Wiedervereinigung im 3-Minuten-Takt fahren.

Nach der deutschen Wiedervereinigung waren die kurzen Bahnsteige ein nicht akzeptabler Zustand in der nun nicht mehr geteilten Stadt. Deshalb beschloss der Berliner Senat, 250 Mio. DM für die Verlängerung der Bahnsteige der Bahnhöfe Kochstraße, Stadtmitte, Französische Straße, Friedrichstraße, Oranienburger Tor, Zinnowitzer Straße, Schwartzkopffstraße und Reinickendorfer Straße zu investieren. Veranschlagt war eine Bauzeit von vier Jahren, das heißt von Juli 1992 bis September 1996. Die Zeitdauer der Bauarbeiten ergibt sich dadurch, dass die Arbeiten bei laufendem Betrieb zu verrichten waren.

Um den Eingriff in die Bausubstanz möglichst gering zu halten, entschieden sich die Planer dafür, die Bahnsteige nur an einer Seite zu verlängern. Dies konnte aufgrund folgenden Zustands gemacht werden: Die Bahnsteige enden mit jeweils zwei Treppen, um den Fahrgastfluss zu beschleunigen. Beide Treppen schlossen den Bahnsteig ab. Der Abstand von der ersten zur zweiten Treppe entsprach genau der des zu verlängernden Bahnsteigs. Nach dem Umbau befindet sich deshalb die erste Treppe noch auf dem Bahnsteig, während die zweite Treppe nun den neuen Bahnsteigsabschluss bildet.

Die ersten Arbeiten begannen am Bahnhof Oranienburger Tor, der auch schon im April 1994 fertig war. Zuletzt wurden die Stationen Zinnowitzer Straße und Schwartzkopffstraße ausgebaut, denn hier war die gerade laufende Olympiabewerbung Berlins zu berücksichtigen. Die Arbeiten begannen dort im April 1995 und endeten im September 1996. Seitdem können 6-Wagen-Züge auf der U6 verkehren.

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